50 Jahre Lancia Club Suisse (LCS)! Was liegt näher, als zum Feiern nach Turin zu fahren, zu den Wurzeln der Marke Lancia. SPIRIT hat die Lancisti des Schweizer Clubs ans diesjährige Herbsttreffen begleitet. Gemeinsam sind wir in der 117-jährigen Geschichte der Marke geschwelgt und haben einen Blick in die Zukunft geworfen.
Text | Fotos Patrik Hellmüller
Der Lancia Club Suisse (LCS) ist ein Markenclub für Lancia-Fans aus dem In- und Ausland. Der 1973 gegründete Club zählt 150 Mitglieder aus sieben Ländern. Die meisten Mitglieder kommen aus der Deutschschweiz. Anlässlich des 50-jährigen Clubbestehens hat der LCS-Vorstand um Clubpräsident Fridolin Hefti ein Jubiläumsprogramm zusammengestellt. Neben einer grossen Feier in Luzern Ende April gehört ein Trip nach Turin zu den Highlights. 45 Personen haben sich für Turin angemeldet. SPIRIT hat sich der Gruppe angeschlossen und am ersten Septemberwochenende die Hauptstadt des Piemonts besucht.
Automobilgeschichte im Hotel
Für die Anreise nach Turin wurden Fahrgemeinschaften gebildet. Neben Lancia-Young- und Oldtimern kamen moderne Autos, darunter elektrische zum Einsatz. Einige Teilnehmer reisten zudem mit dem Zug an. Schliesslich ging es diesmal nicht um eine gemeinsame Ausfahrt, sondern um einen gemeinsamen Städtetrip. Damit während des Events im quirligen Stadtverkehr von Turin niemand verloren geht, hat LCS-Eventmanager Venerio De Cian einen Bus organisiert. So werden wir uns die nächsten zwei Tage durch die Stadt chauffieren lassen.
Unser Quartier ist das NH Hotel Lingotto. Ein Ort, der Automobilgeschichte atmet. Das Hotel ist im ikonischen Lingotto-Gebäude untergebracht. Das ehemalige Fiat-Werk mit der Teststrecke auf dem Dach war einst Europas grösste Automobilfabrik. Das Hoteldekor inklusive Fiat Topolino in der Lobby erinnert an diese Zeit.
Längst werden hier keine Autos mehr produziert. Heute beherbergt das Gelände ein Messe- und ein Einkaufszentrum sowie zwei Hotels. Auf dem Dach des Gebäudes kurven nur noch ab und zu Elektroautos herum, umgeben von einem neu angelegten Dachgarten mit über 40000 heimischen Pflanzen. An sonnigen Herbsttagen gehört die Strecke jedoch ganz den Flaneuren. Ebenfalls auf dem Dach der Lingotto-Fabrik befindet sich das Kunstmuseum Pinacoteca Giovanni e Marella Agnelli. Ein Vermächtnis des mächtigen Fiat-Bosses und seiner Frau, welche hier einen Teil ihrer Sammlung dauerhaft der Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben. Untergebracht sind die Meisterwerke in einem Erweiterungsbau des Architekten Renzo Piano. In dieser anregenden Umgebung mit Blick auf die Stadt geniessen wir den Willkommens-Apéro am Freitagabend.
Besuch des Heritage Hub
Nach einem gemütlichen Abendessen im Hotel machen wir uns am nächsten Morgen per Bus auf ins Quartier Mirafiori. Im gleichnamigen Werk produziert der Autokonzern Stellantis noch heute Fahrzeuge, unter anderem den elektrischen Fiat 500. Daneben beherbergt das Mirafiori-Werksgelände den Heritage Hub. Darin finden sich 300 Fahrzeuge der Marken Fiat, Lancia, Abarth und Alfa Romeo, darunter viele Prototypen und Einzelstücke. Untergebracht sind sie in einer riesigen ehemaligen Produktionshalle mit eindrücklicher Eisenträgerkonstruktion. Für unsere Reisegruppe sind selbstverständlich vor allem die Lancia-Exponate interessant. Schliesslich hatte Gianni Lancia, Sohn des Firmengründers Vincenzo Lancia, bereits in den 1950er-Jahren angefangen, eine Werkssammlung aufzubauen, um das weltweit erste Werksmuseum einzurichten. So reicht die Palette im Heritage Hub vom ersten Modell der Marke, dem Lancia 12HP von 1908 bis zum aktuellen Lancia Ypsilon.
Um die Schweizer Lancisti an einem Samstag gebührend zu empfangen, hat Stellantis extra eine hochrangige Equipe zusammengestellt. Darunter Roberto Giolito, Direktor von FCA Heritage; und Cristina Gabotto, die Pressesprecherin von Lancia. Wir fühlen uns geehrt und tauchen in kleinen Gruppen in die reiche Lancia-Markengeschichte ein. Viele Lancisti hätten am liebsten den ganzen Tag so zugebracht. Schliesslich gibt es so manches Lancia-Highlight zu entdecken, das man sonst nirgends findet.
Exklusiver Blick in die Zukunft
Jedoch wartet eine besondere Überraschung auf uns – ein exklusiver Besuch im benachbarten Centro Stile Lancia. Nach dem Rückblick erhaschen die Schweizer Lancia-Liebhaberinnen und -Liebhaber einen Blick in die Zukunft. Schliesslich hat Stellantis die Marke eben aus dem Dornröschenschlaf geweckt und für die kommenden vier Jahre vier neue Modelle angekündigt. Anhand der Stilstudie Pu+Ra erhalten wir aus erster Hand Informationen zur Designsprache kommender Lancia Modelle.
Künftig elektrisch zum LCS-Treffen?
Ob künftig elektrische Lancia-Modelle ebenfalls an Clubanlässen teilnehmen dürften, wollen wir von LCS-Präsident Fridolin Hefti wissen. Aber selbstverständlich, sagt dieser, ohne zu zögern. Der LCS habe sich immer als Markenclub verstanden, es seien alle Lancia Modelle willkommen, so Hefti.
Mit dieser Clubprämisse verwundert es nicht, dass die Fahrzeuge im Club eine Dekade von rund einem Jahrhundert abdecken. Das älteste Auto im LCS ist eine Lambda von 1923, das jüngste Auto ein aktueller Ypsilon. Dass bald Modelle aus einer neuen Lancia-Ära an LCS-Events teilnehmen werden, darüber scheinen sich die meisten LCS-Mitglieder zu freuen. Die Begeisterung und Neugier ist jedenfalls spürbar, als Cristina Gabotto in knackigen Sätzen die neue Lancia-Designsprache umreist und die Stilstudie erläutert.
Auf der Piazza San Carlo wird dem Automobil gehuldigt
Nach einem Mittagessen im Innenhof des Hotels starten wir wieder mit dem Bus in die Innenstadt. Schliesslich hat die Hauptstadt des Piemonts so einiges zu bieten. Insbesondere die Architekturvielfalt ist beeindruckend. Doch ehrlicherweise sei erwähnt, dass die wenigsten dazukommen, sich vertieft damit auseinanderzusetzen. Schliesslich findet gerade die Torino Autolook Week statt. Ein Festival, dass einmal mehr zeigt, wie eng Turin und Automobilbegeisterung miteinander verwoben sind. Als wir auf der Piazza San Carlo eintreffen, werden wir von einigen Delta Integrale Wettbewerbsfahrzeugen begrüsst. Neben einem originalen Rallye 037 ist auch die Neuinterpretation von Kimera Automobili in vierfacher Ausführung zu bewundern. So bleiben wir trotz aller Vorsätze am Automobil hängen und sind uns einig, dass wir bald wieder nach Turin zurückkehren werden, um all die anderen kulturellen Schätze zu entdecken.
Auf zu neuen Kapiteln
Den Abend schliessen wir mit einem Schlemmermenu im Restaurant Arcadia ab. Dieses befindet sich in der eindrücklichen Galeria Subalpina. Nicht umsonst ist Turin als eine der Schlemmerstädte Italiens bekannt!
Am nächsten Morgen verabschieden sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer voneinander. Einige werden ihren Aufenthalt in Turin verlängern, andere machen sich vor der Heimreise auf zur Pilgerfahrt ins Quartier Borgo San Paolo, wo für lange Zeit das Lancia Werk war. Noch heute finden sich viele Spuren der Marke, darunter der eindrückliche Grattacielo Lancia, die in den 1950er-Jahren gebaute Firmenzentrale.
Das Treffen mit den Lancisti hat gezeigt, dass die Begeisterung für Lancia, eine der ältesten Automobilmarken, ungebrochen ist. Und das Treffen hat gezeigt, dass die Geschichte weitergehen wird. Die Geschichte des Lancia Club Suisse und die Geschichte von Lancia. In diesem Sinne: «Viva Lancia!»