Opel Kadett C GT/E
Die berühmte 1000er-Serie des Kadett gehört zu den ganz grossen Traumklassikern von Opel. Noch heute fühlt sich ein GT/E sauschnell an und ist ein so begehrter Racer, dass sogar Fälschungen von ihm im Handel sind
Text: Ulrich Safferling Foto: Christian Bittmann für Opel
Das Getriebe ist eine Herausforderung. Zum einen, weil der Rückwärtsgang oben links liegt. Dort, wo das Gehirn meist den ersten Gang abgespeichert hat, der sich aber hier unten links findet. Der Rest ist einfach als 2-3 und 4-5 verteilt. Zum anderen ist das ZF-Getriebe auch noch etwas störrisch – natürlich in der Schaltgasse links. Als Trost bleibt, dass man den Rückwärts- und ersten Gang ja nicht ständig braucht, wenn die Fuhre erst einmal auf der Strecke ist.
Und das ist dann wirklich ein Heidenspass im Opel Kadett GT/E, wenn 115 Pferdestärken 920 Kilo Wagengewicht bewegen müssen. Klar, die anderen Autos Ende der 1970er-Jahre waren auch nicht viel schwerer, aber entweder schwächer – der Basis-Kadett 1100 hatte nur 40 PS – oder nicht mit einem Sperrdifferential ausgerüstet, das den sportlichsten C-Kadett zu einem Serientourenwagen der Gruppe 1 machte.
Das GT/E-Paket bestand aus einem Zweiliter mit Bosch-Einspritzung, dem erwähnten Fünfganggetriebe, Sportfahrwerk, grösseren Scheibenbremsen und Fuchs-Felgen. Verzichten musste man dafür auf völlig rallye-fernes Zubehör wie einen Make-up-Spiegel, Schiebedach, Beifahrer-Haltegriff und den Fond-Aschenbecher.
Die Rede ist von der berühmten «1000-Serie» ab 1977, die bereits 1975 einen Vorgänger namens GT/E hatte. Der sorgte allerdings in Gelb-Schwarz statt in Weiss-Gelb für Aufmerksamkeit und war nur mit einem 1,9-Liter aus dem Manta und 105 PS gesegnet. Der Nachfolger bekam den grösseren Rekord-Motor.
War schon der 1900er beliebt und verkaufte sich 8.860-mal, so wurde der 2000er zur Blauen Mauritius: 1.000 Stück musste Opel für die Homologation der Gruppe 1 bauen und die waren ein halbes Jahr nach dem Debüt auf der IAA 1977 bereits verkauft. Man legte 500 Stück nach, auch die gingen weg und so kamen am Ende noch mal 734 Stück auf den Markt. Und obwohl Weiss-Gelb besonders beliebt war, konnten auch andere Uni-Signalfarben bestellt werden. Zum Beispiel Orange, Rot oder Blau, Schwarz allerdings im Gegensatz zu heute nur in Kombination mit Gelb.
So oder so, mit dem GT/E hatte Opel eine Antwort auf Ford Escort RS und VW Golf GTI. Die so vielversprechend war, dass sogar der spätere Rallye-Weltmeister Walter Röhrl vom Ascona auf den schnellen Kadett umstieg, ohne damit allerdings zu ganz grossen Erfolgen zu kommen. Doch für eine grosse Fangemeinde wurde der Rüsselsheimer – in diesem Fall ein Bochumer Kind – zum erfolgreichen Einstieg in den Motorsport. Und ist heute noch bei klassischen Berg- oder Slalomrennen ein ernst zu nehmender Konkurrent.
Warum das so ist, wird schon nach wenigen Kilometern klar – der GT/E ist eines von den Autos, die man wortwörtlich «um die Ecke werfen» kann. Ob eine Strecke im Taunus oder Schwarzwald, solange es Kurven gibt, kann kaum jemand dem letzten Kadett mit Hinterradantrieb das Wasser reichen. Selbst deutlich stärkere Kandidaten müssen auf eine lange Gerade hoffen, damit ihr Leistungsvorteil zum Überholen reicht. Solange es aber vorzugsweise um Ecken geht, ist der Kadett wieselflink unterwegs und vermittelt eine gehörige Portion Fahrspass.
«Roar» macht der Zweiliter grollend, wenn er flink geschaltet wird. Und löst sich der Fuss vom Gaspedal, weil man schon wieder auf den Vordermann aufgelaufen ist, «sprotzelt» es im Auspuff wie eine Warnung. Bei freier Fahrt lässt sich der Kadett wunderbar um die Kurven treiben, krallt sich an die Kurveninnenseite und lässt sich mit behutsamen Gasstössen am Grenzbereich halten.
Der GT/E ist ein unglaublich fahraktives Auto, was einerseits an der Technik liegt, andererseits auf den Purismus zurückzuführen ist. Nichts im oder am Fahrzeug lenkt vom Hauptspass ab, dem Fahren. Tacho und Drehzahlmesser sind die beiden Zentralinstrumente, darüber glitzern beim Start nur zwei Kontrollleuchten für die Batterie und das Öl. Temperatur, Öldruck und Tankanzeige werden durch drei kleine Rundinstrumente angezeigt, die sich über dem sportlich-kurzen Schalthebel befinden.
Ein Drehschalter für das Licht und ein weiterer für die Lüftung runden das Instrumentarium ab. Gelungen ist das gelochte Lenkrad mit dem breiten Lenkradkranz. Es liegt gut in der Hand und könnte noch eine Spur kleiner sein. Trotzdem vermittelt es ausreichend Rückmeldung und der GT/E lässt sich präzise damit um die Kurven zirkeln.
Dazu passen die Recaro-Sportsitze, mit denen in jeder Fahrlage ausreichend Stabilität hinterm Lenkrad gewährleistet ist. Hat man sich erst einmal hineingekuschelt, will man gar nicht mehr aufstehen und sucht beim Tankstopp unwillkürlich nach einem freundlichen Tankwart.
Kofferraum? Ja, gibt es. Muss man mehr sagen? Rein soll sowieso nix, um das Leistungsgewicht nicht zu ruinieren. Das unvermeidliche Ersatzrad ruht platzsparend an der rechten Seite, für den Alltag bleibt viel Platz, selbst wenn 312 Liter nicht sensationell klingen. Immerhin 375 Kilo darf der Kadett zuladen, abzüglich Fahrpersonal.
Passt alles und es bleibt nur die Frage, woher einen nehmen? Denn angesichts von nur 2.234 gebauten GT/E dürfte ziemlich klar sein, dass nicht mehr viele davon verfügbar sind. Und schon gar nicht im originalen Zustand. Schliesslich handelt es sich um ein Wettbewerbsmodell, das im harten Einsatz stand. Und das im Laufe der Zeit zahlreiche Modifikationen durch die Besitzer und Teams erfuhr, die sich nicht in den 115 PS erschöpften, die ursprünglich auf der Packung standen.
Immerhin handelt es sich dann noch um einen originalen GT/E, den man mit Geschick zurückrüsten kann. Nicht viel weniger Geschick beweisen diejenigen, die eines der normalen 165.000 Coupés benutzen, um daraus einen GT/E zu machen. Was technisch kein Problem ist und den Wert drastisch erhöht.
Da heisst es noch mehr als sonst auf eine lückenlose Historie zu achten, um nicht versehentlich den dreifachen Preis gegenüber einem Basismodell zu berappen. Der Preisunterschied zwischen 1900er und 2000er GT/E ist übrigens eher marginal, die Wertschätzung annähernd gleich gross. Erst gegenüber dem Rallye-Modell, ebenfalls mit Zweilitermaschine (110 PS), reden wir über ein paar Tausender Euro Differenz und noch ein paar mehr, wenn es sich nur um den schwachen 1600er Rallye (75 PS) handelt.
Das macht die Suche nicht eben leicht. Von den knapp einem Dutzend sportlicher C-Kadetten bei mobile.de sind allenfalls zwei echte GT/E, und beide nicht im originalen Zustand. Häufig findet man die Modellversion «Rallye», die zwar mit dem Zweiliter daherkommt, aber nur 110 PS leistet. Und mit weiss-gelber Lackierung auf GT/E getrimmt wird. Keine Frage, wer einen der berühmten 1000er hat, der gibt ihn nur sehr selten her.
Was im Umkehrschluss bedeutet: Wer sich einen echten GT/E sichern kann, der sollte nicht zögern und zugreifen. Die Gelegenheit kommt nicht alle Tage, als dass man sie vergehen lassen sollte. Die kann allerdings deutlich über dem offiziellen Listenpreis liegen. Denn die Opel-Ikone ist nicht nur jeden Euro wert, sie wird auch jeden Euro Wert behalten.
Fahrspass gibt es aber nicht nur im GT/E 2000, sondern vergleichbar schon im 1900er GT/E oder im Rallye 2000. Das ist nicht zwingend eine ganze Nummer kleiner, sondern nur nicht ganz so ultimativ. Aber wer auf der letzten Rille reiten will, für den eignet sich eine Oldtimer-Rallye auch nur begrenzt. Dort ist der GT/E in jedem Fall ein Held, um einen alten 911er auf Abstand zu halten oder ihm in Kurven beharrlich im Nacken zu sitzen – das gemeinsame Benzingespräch am Abend ist garantiert.
Opel Kadett C GT/E
Baujahr: 1977-1979
Motor: 1979 ccm, R4, Frontmotor, Bosch L-Jetronic
Leistung: 115 PS bei 5600 U/min
Drehmoment: 159 Nm bei 3000 U/min
Kraftübertragung: manuelles Fünfganggetriebe, Hinterradantrieb
Länge/Breite/Höhe: 4124/1580/1335 mm
Gewicht: 970 kg
Verbrauch: 11-12,5 l/100 Km je nach Übersetzung
Höchstgeschwindigkeit: 155-190 km/h nach Übersetzung
Beschleunigung: ca. 8,0 s von 0-100 km/h
Produktion: 2234
Preis: k.A.