HUBRAUM IST DURCH NICHTS …

… zu ersetzen. Das Flaggschiff der ersten S-Klasse verriet nur durch eine kleine Zusatzzahl am Kofferraum, dass hier kein normaler Achtzylinder unter der Haube schlummerte. Der 6.9 ist eine Legende.

Text Ulrich Safferling| Fotos Christian Egelmair

Wer kennt sie nicht, die Maxime, die uns die Väter, wenn nicht vorlebten, so doch vorsagten: «Hubraum ist durch nichts zu ersetzen, ausser durch noch mehr Hubraum.» Die Erkenntnis der Big-Block-Fraktion verhiess mehr Drehmoment, erhöhte aber den Durst an der Zapfsäule. Heute ist das eine Frage der grünen Moral, vor 50 Jahren war das eine Frage der Reserven: Die Ölpreiskrise 1973 stürzte die automobile Gesellschaft in eine Sinnkrise. Das traf besonders Sportgeister, die gerade mit einem BMW 2002 Turbo Gas geben wollten. Aber auch die Limousinen-Etage, in der Achtzylinder State of the Art waren. Das traf Mercedes-Benz besonders hart, die just offiziell ihre erste sogenannte S-Klasse vorgestellt hatten.

Nicht, dass Mercedes-Benz im Herbst 1972 bei der Präsentation des W 116 keinen Achtzylinder im Programm hatten. Der hiess 350 SE. Doch mit dem geplanten Hubraum-Riesen 450 SEL 6.9 hielt man sich dann etwas zurück. Es erschien, im Zuge autofreier Sonntage zum Spritsparen, nicht opportun, die Kunden mit einer Limousine zu konfrontieren, die 22 Liter im Schnitt verlangte. Super natürlich. Erst im Mai 1975 durfte das Topmodell der Baureihe – ausschliesslich mit langem Radstand – auf die Strasse rollen. Für 84’000 Franken. Das waren 25’000 mehr als für den normalen 450 SEL und mehr als doppelt so viel wie für den kleinen 280 S.