Alfa Romeo Junior: Scudetto futuristico

Mit dem Junior läutet Alfa Romeo die Zukunft ein. Dieser soll Markenfans bei Laune halten und gleichzeitig ein neues Publikum für die Kultmarke mit dem Biscione begeistern. Bei einer Probefahrt […]

Mit dem Junior läutet Alfa Romeo die Zukunft ein. Dieser soll Markenfans bei Laune halten und gleichzeitig ein neues Publikum für die Kultmarke mit dem Biscione begeistern. Bei einer Probefahrt im Schweizer Jura ergründen wir, ob das gelingen kann.

Text | Bilder Patrik Hellmüller

Der Junior markiert Alfa Romeos Schritt in die Zukunft und die Rückkehr ins hart umkämpfte B-Segment. Er basiert auf der eCMP/CMP-Plattform von Stellantis und ist sowohl mit Elektro- als auch mit Hybridantrieb erhältlich. Die Stellantis-Plattform hat sich bereits bei Konzerngeschwistern wie dem Jeep Avenger, dem Peugeot 208, dem Opel Corsa oder dem Fiat 600 bewährt. Bemerkenswert ist, dass die verschiedenen Stellantis-Derivate trotz gleicher Basis sehr eigenständig daherkommen, ganz im Gegensatz beispielsweise zu den Modellen auf der MEB-Plattform von Volkswagen.

Alfa Romeo hat in seiner über 110-jährigen Geschichte unzählige Kultmodelle hervorgebracht und weckt Emotionen wie wenige andere Marken. Damit ist klar, dass der Junior sich deutlich von andern Konzernmodellen abheben muss, um am Markt eine Chance zu haben und die treue Fangemeinde bei der Stange zu halten. Ob das gelungen ist?

Veloce mit Cuore sportivo

Wir haben uns bei einer ersten Testfahrt zu den beiden elektrischen Varianten Junior Speciale und Junior Veloce ein Bild gemacht. Unser erster Eindruck ist positiv. Insbesondere der Junior Veloce, der ab 2025 in der Schweiz erhältlich sein wird, überzeugt mit seinem mechanischen Sperrdifferenzial, dem vergleichsweise geringen Gewicht und den 280 Elektro-PS in puncto Fahrdynamik. Das Cuore sportivo, für viele Alfisti die Markenessenz, nehmen wir dem Veloce durchaus ab.

Der Speciale hingegen wird dieser Erwartung mit seinen 156 PS nur bedingt gerecht. Jedoch wird Alfa mit dem Junior auch neue Kundinnen und Kunden für die Marke gewinnen wollen. Da hat der Speciale durchaus seine Daseinsberechtigung. Er fährt sich im Alltagsverkehr souverän und hebt sich mit seiner Italianità deutlich von anderen Elektrofahrzeugen ab.

Klare Linien und gute Sitze

Das Interieur überzeugt mit schnörkellos klarem Design und mit netten Details. Alfa Romeo Junior Speciale InnenraumSo begegnet einem die stilisierte Schlange aus dem Markenlogo verschiedentlich. Sei es bei der Ladeanzeige oder hinterleuchtet an den Düsen der Innenraumbelüftung. Ebenfalls sehr sorgfältig und hochwertig gemacht sind die optionalen Sportsitze. Etwas lieblos in der Anmutung sind hingegen die Türpanelen aus Plastik. Haptisch wie optisch wäre hier Alcantara, wie es am Armaturenbrett und an der Mittelkonsole spärlich eingesetzt wird, eine wahre Wohltat. Das Platzangebot, das Kofferraumvolumen und auch die Reichweite sind mehr als ausreichend für ein Fahrzeug des B-Segments.

Eine Neuinterpretation des Coda tronca?

Widmen wir uns zum Schluss dem Aussendesign – gerade bei einem Alfa Romeo stets ein Schlüsselkriterium. Wie gefällt er, der erste rein elektrisch erhältliche Alfa? Das Design polarisiert mit seiner zerklüfteten Front mit wild geschnittenen Kerben, Lüftungsschlitzen und den grimmigen Scheinwerfern. Es sind die Zeichen der Zeit – ein sportlich ausgelegtes Modell kommt nicht ohne fiesen Blick aus. Hier folgt der Junior ganz dem geltenden Designmainstream, nimmt sich aber durch Anordnung der Elemente und vor allem dank des typischen Scudetto, wie der schildförmige Alfa-Kühlergrill genannt wird, doch eine gewisse Eigenständigkeit heraus. Der Scudetto ist gleichzeitig der Grund, warum das Auto in natura besser wirkt als auf Fotos. Dieser nimmt das Markenlogo mit dem Biscione, der grossen geschwundenen Schlange auf. Leider geht dieses wichtige Merkmal je nach Licht verloren, so dass der Scudetto als plumpe schwarze Fläche wahrgenommen wird.

Die Seitenansicht wirkt äusserst muskulös und wohlproportioniert – eine echte Designleistung, wenn man bedenkt, dass das Auto weniger als 4,2 Meter lang ist. Alfa Romeo nennt die GT-Linie des legendären 8C als Inspirationsquelle. Die Linie kommt besonders mit den 20-Zoll-Felgen des Veloce zur Geltung. Das knackige Heck will Alfa Romeo als Reminiszenz an das markentypische Coda tronca verstanden wissen. So heisst das abrupt abgeschnittene Heck, das Anfang der 1960er-Jahre erstmals bei der Giulietta SZ zu sehen war und danach das Design verschiedener Alfa-Modelle geprägt hat. Beim Junior fühlen wir uns ehrlicherweise eher an die knackige Heckansicht des Kia EV6 erinnert, was nicht negativ gemeint ist.

Zusammenfassend ist der Alfa Romeo Junior ein gelungener Start in eine neue Ära der Kultmarke. Alfa Romeo beweist mit diesem Modell einmal mehr, dass die Leidenschaft für sportliche Fahrzeuge und stilvolles Design fest in der Marken-DNA verankert ist. Bleibt zu hoffen, dass damit Markenfans und neue Kundinnen und Kunden gleichermassen überzeugt werden.

 

FAZIT

Wow-Faktor: Eletrissima!
Willhaben-Faktor: Vorhanden. Stilsicherer Begleiter für den sportlichen Auftritt.
Coolness-Faktor: Italianità (Made in Poland)
Was-für-länger-Faktor: Durchaus. Ideal für den Alltag in puncto Grösse und Reichweite.
Style-Faktor: Da hebt man sich doch deutlich vom ID des Nachbarn ab.

Alfa Romeo Junior Speciale
Ab CHF 39 990.–
Elektroantrieb, 156 PS
Höchstegeschwindigkeit: 150km/h
0–100km/h: 9s

Alfa Romeo Junior Veloce
Noch nicht kommuniziert
Elektroantrieb, 280 PS
Höchstegeschwindigkeit: 200km/h
0–100km/h: 5,9s