Der Kleine mit der grossen Klappe

Beim Anschauen drollig, beim Fahren derbe – der VW Fridolin sieht harmlos aus, macht es Briefzustellern jedoch schwer. Bei der Schweizerischen Post PTT hat er in den 1970er-Jahren allerdings eine postaustragende Rolle gespielt

VW Typ 147 PTT Kleinfourgon II «Fridolin»

Beim Anschauen drollig, beim Fahren derbe – der VW Fridolin sieht harmlos aus, macht es Briefzustellern jedoch schwer. Bei der Schweizerischen Post PTT hat er in den 1970er-Jahren allerdings eine postaustragende Rolle gespielt

Text: Jan Horn    Fotos: Ralf Timm

Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz hätte wohl seine helle Freude am VW Typ 147 gehabt. Denn der «Entdecker» des Kindchenschemas hätte beim Anblick des kleinen Post-Lieferwagens ein Paradebeispiel für typisch niedliche Proportionen vorgefunden. Schlüsselreize für fürsorgliche Ambitionen liefert der signalgelbe Wagen nämlich reichlich: Hohe Stirn, flache Stupsnase, grosse Kulleraugen – kommt der Typ 147 herangetobt, erwacht schnell der Beschützerinstinkt. Und dann auch noch sein Spitzname: Fridolin. Hach …

Doch der Schein trügt. Tatsächlich steckt im putzigen Laster nämlich eher so etwas wie ein grobschlächtiger Arbeiter mit den Manieren eines Kerkermeisters. Niedlich fällt allenfalls die Leistungsausbeute seines Boxermotors aus. Je nach Ausführung stehen dem Fridolin anfangs 30 PS, später kaum aufregendere 44 PS zur Verfügung. Doch der Reihe nach.

«Erfunden» hatte den Wagen die Deutsche Post. Die war Anfang der 60er Jahre auf der Suche nach einer «Zwischenlösung» für den Briefdienst. Statt des sperrigen VW Typ 2 (Bully) und anstelle des unpraktischen VW Käfers sollte lieber ein funktionaler Alleskönner die Briefkästen entleeren und Eilzustellungen erleichtern. VW entwickelte daraufhin das «Sonderfahrzeug Post auf VW-Fahrgestell Typ 147». So sperrig der Name, so schlicht die Idee: Rund zwei Kubikmeter Laderaum sollten sich auf möglichst geringe Verkehrsfläche (amtliche Forderung der Postdirektion: Nicht länger als 3,75 Meter!) verteilen.

Die dem VW-Werk eng verbundene Karosseriefirma Westfalia schweisste dann den kleinen Kasten ­– unter Zuhilfenahme von Teilen aus Käfer, Karmann Ghia, Typ III und Bus – zusammen. Ab 1965 schleppte der Fridolin dann sehr erfolgreich und emsig frankierte Ladung. Verständlich, dass bald auch die PTT danach verlangte.  Allerdings wünschte die Automobildivision der Gesellschaft Anpassungen an alpine Bedingungen.

Eine Standheizung erschien den Inspektoren effektiver als die serienmässige maue Wärmetauscherlösung des Käfers. Zudem versprachen mehr Leistung (44 PS aus einem 1300er) sowie vordere Scheibenbremsen mühelose Bergauf- und risikoarme Bergab-Passagen. Ebenfalls Pflicht im Lastenheft: Die nach PTT-Vorgaben typische signalgelbe Lackierung inklusive schwarzroter Karosserie-Bauchbinde.

So gerüstet, gingen insgesamt 1201 Wagen über die Grenze. Bis in die 1980er-Jahre hinein rackerten sich die im PTT-Jargon «Kleinfourgon II» genannten Wagen im harten Zustelldienst ab, die meisten rosteten sich spätestens kurz nach Ende ihrer Dienstzeit ins endgültige Aus.

Das Auto auf diesen Seiten stand bis 1983 im Kanton Tessin im Dienst, machte nach rund 85 000 Kilometern schlapp und gelangte dann rund fünf Jahre nach Ausmusterung in die Hände eines norddeutschen Sammlers. 200 Franken zahlte dieser an die Garage Mattei in Someo. Laut Kaufbeleg «come vista provato».  Was sich angesichts des Erhaltungszustands auch folgendermassen übersetzen lässt:  An fast allen Karosserieelementen morsch, Drehstabfederung erlahmt, Motor am Ende, Getriebezahnräder kariös.

Längst ist Fridolin Nummer P 16494 geschweisst, lackiert, mit überholtem Antrieb versehen und fährt wie am ersten Tag. Leider auch nach wie vor genauso schlecht wie bei seiner Auslieferung im Jahre 1972. Denn der 147er sollte Bürger mit Post versorgen, nicht den Boten mit Komfort verwöhnen. Zwar gelingt der Einstieg über die grossen, sehr weit zurück gleitenden Schiebetüren mühelos. Doch sie dann zu schliessen, ist ein kleiner Kraftakt. Steht das Auto leicht bergauf, braucht’s einen ordentlichen Schwung, damit das Tor in die vordere Schliessmechanik einrastet. Um die Tür auch an der hinteren Fuge zu verriegeln, muss der Fahrer ebenfalls mit Kraft am unglücklich platzierten Innenhebel zerren.

Nach rrrummms, klock und klack ist die Luke dicht – es kann losgehen. Eingewöhnung ist nicht erforderlich. Grundsätzlich stehen nur drei Knöpfe (Warnblinker, Licht und Scheibenwischer) zur Verfügung. Das einzige Instrument übertreibt es ebenfalls nicht mit zu vielen Informationen. Tempo und Kilometerstand lassen sich ablesen, dazu vier schüchterne Kontrollleuchten – der Umgang mit Fridolin ist schneller erlernt, als eine Briefmarke abgestempelt wird.

Die Technik stammt vom Käfer. Entsprechend willig prasselt die Maschine im Heck los, sobald der Zündschlüssel auf Anlassstellung dreht. Allerdings: Sofort fällt auf, dass der Fridolin viel lauter und deutlich hohler klingt als ein Standard-Volkswagen. Eine Erdnuss in der Dose kräftig geschüttelt – so in etwa fühlt sich der Fahrer. Blechern schallt der Vierzylinder durch die offene Fahrgasthalle, mit zunehmender Geschwindigkeit vibrieren knisternd die Seitenverkleidungen, dröhnt das spärlich verrippte Dach, streicht der Fahrtwind rauschend über die Türkanten. Gut, dass der 147 kaum mehr als Tempo 100 schafft.

Gemeines Ungleichgewicht zudem:  Die hohe Sitzposition hat bei einem Vor- gleich zwei Nachteile. Der Fahrer peilt zwar aus einer angenehmen Höhe über die flach abfallende Haube. Dagegen steht: Die Kupplung erreicht der linke Fuss eher von oben, das erschwert die Dosierung; der aufgebockte Sitz (die instabile Auflage aus Federkern, Kokosvlies und Kunstlederhülle thront auf einem rund 25 Zentimeter hohen Sockel aus Rundstahl) bietet kaum Halt. Zusammen mit dem stark wankenden Aufbau, dem leicht beirrbaren Geradeauslauf und der weichen Federung hat es der hin und her gewalkte Fahrer also mächtig schwer, eine dauerhaft bequeme Haltung einzunehmen.

Auch die Distanz zum Schalthebel wächst durch den Sitzbock. Entsprechend hapert es an der Ergonomie. Die Bremsen arbeiten ordentlich, allerdings muss der Wagen ohne Bremskraftverstärker verzögern. Mit Last an Bord muss der Fahrer sich also ordentlich gegen den harten Druckpunkt stemmen. Kurz: Eine Runde im Fridolin kostet Kraft und Nerven. Wie muss sich da bloss eine komplette Frühschicht bei der PTT ausgewirkt haben?

Wie zum Trost gibt sich der 147 bei Transportaufgaben deutlich talentierter. Der (aufpreispflichtige) Beifahrersitz lässt sich zusammenfalten, verschwindet dabei fast vollständig unter dem Armaturenbrett. So passen auch sperrige Pakete durch die rechte Seitentür, insgesamt wächst das Fassungsvermögen für Gepäck auf fast 3000 Liter! Ausserdem erleichtert eine zusätzliche Luke im Heck das Beladen. Bis zu 375 Kilogramm schwere Post konnte der Fridolin durch die drei «Eingänge» entsprechend mühelos einsammeln. Kein Wunder, dass sein Besitzer ihn auch heute noch gelegentlich als Lastesel nutzt. Pardon, frei nach Wissenschaftler Lorenz natürlich eher: als Lasteselchen.

 

VW Typ 147 Kleinfourgon «Fridolin»

Baujahr: 1964-1974
Motor: 1285 ccm, B4 Heckmotor, 1 Solex-Vergaser
Leistung: 44 PS bei 4000 U/min
Drehmoment: 88 Nm bei 2000 U/min
Kraftübertragung: manuelles Vierganggetriebe, Hinterradantrieb
Länge/Breite/Höhe: 3970/1670/1730 mm
Gewicht: 970 kg
Verbrauch: ca. 9,5 l/100 Km
Höchstgeschwindigkeit: 100 km/h
Beschleunigung: k.A.
Produktion: 1201 für TT (6139 total)
Preis: k.A. (D: 1972 ab 6480 DM)