Eine Liebe fürs Leben

Vor 25 Jahren tauchte ein neues Porsche-Einsteigermodell auf, dass nicht nur ein Bestseller wurde, sondern auch die Firma aus wirtschaftlicher Schieflage befreite – der Boxster. Doch seine DNA reicht zurück bis zu einer Ikone der 1950er-Jahre …

Porsche Boxster

Vor 25 Jahren tauchte ein neues Porsche-Einsteigermodell auf, dass nicht nur ein Bestseller wurde, sondern auch die Firma aus wirtschaftlicher Schieflage befreite – der Boxster. Doch seine DNA reicht zurück bis zu einer Ikone der 1950er-Jahre …

Text: Ulrich Safferling Fotos: Porsche

Der Boxster ist mein Traumauto. Und wie das bei Träumen so ist, es gibt auch eine tragische Seite, aber die heben wir uns für später auf. In jedem Fall war die erste Testfahrt mein Verhängnis – in 90 Minuten konnte man damals noch von den Hamburger Elbbrücken bis zur Berlin Avus fahren, die nächtliche Autobahn war frei und unlimitiert. Danach gab es keine Zweifel mehr, den oder keinen.

Angefangen hatte meine Roadster-Euphorie viel früher mit dem Mazda MX-5. Mitten in meiner Studentenzeit schlug der japanische Roadster wie eine Bombe Ende der 1980er-Jahre ein. Den wollten alle. Das er 10.000 DM mehr kostete als ein VW Golf GTI war ein Schönheitsfehler, über den nur Zahnarzt-Studenten hinweg lächeln konnten. Bei mir langte es nicht, nicht mal zu einem der zahlreichen US-Importe des «Miata».

Aber der kleine Roadster trat eine Welle los und auf der surften Mitte der 90er-Jahre Audi TT, Fiat Barchetta, BMW Z3, Mercedes SLK und – Porsche Boxster. Ich fuhr sie alle zur Probe. Der Audi verlor viel Reputation durch eine Unfallserie, beim Fiat regnete es durch die geschlossenen Fenster, der Mercedes trug ein schweres Stahldach und BMW bot zum Start nicht mal einen Zweiliter-Motor an.

Am Ende aller Überlegungen, Testkilometer und Spargroschen konnte es nur einen für mich geben. Ein 98er-Boxster, schwarzmetallic, mit boxsterrotem Leder und 66.500 Kilometer gelaufen. Ein Ex-Werkswagen aus zweiter Hand. Mein Traumauto. Die erste lange Ausfahrt ging ins Elsass und die Vogesen. Und sie blieb unvergessen.

Die Fünfgang-Schaltung flutschte wunderbar, die Lenkung war direkt, der Sechszylinder war in jeder Sekunde hellwach. Das Dach öffnete und schloss sich schnell und leicht, der Windsturm brach sich am gläsernen Schott zwischen den Sitzen und vorn und hinten gab es genug Stauraum. Nie zuvor ging es so schnell um Kurven, gab es diesen heiseren, giftigen Sound, nie schien die Sonne so wunderbar.

Schön, stark und schnell war schon der Boxster der ersten Generation (986). Nicht mit dem Makel der Transaxle-Modelle 924/944/968 behaftet, die zwar auch Einsteiger-Porsche waren, aber eben technisch nie als vollwertige Porsche angesehen wurden. Damals noch weniger als heute, mit dem Klassiker-Bonus einer vergangenen Epoche.

Damit hatte der Boxster nie Probleme. Er sah von vorne aus wie der ein Jahr später folgende 911 (996), hatte einen traditionsreichen Sechszylinder-Boxermotor – wenn auch den ersten mit Wasserkühlung – und durfte sich auf den 550 Spyder berufen, der ebenfalls als Mittelmotorkonzept ausgelegt war. Der Boxster war immer Porsche durch und durch. In ihm verschmolzen die Wörter Boxer und Roadster und Boxster.

Wichtigen Anteil an der Boxster-Gestaltung hatte der Porsche-Designer Grant Larson, der den Roadster im Team von Designchef Harm Lagaay gezeichnet hatte. Nach der Tokyo Motor Show 1991 begann er mit der Arbeit am Boxster, der technisch weitgehend identisch mit dem künftigen 911-Porsche 996 sein sollte. Damit wollte man die technische Komplexität zwischen den Baureihen reduzieren: Boxster und 911 sollten bis zum Armaturenbrett weitgehend gleich aufgebaut werden, um Kosten zu sparen. Noch heute spricht Porsche in diesem Zusammenhang von der «Rückkehr zu einer profitablen Produktion».

Trotz der angespannten Finanzlage hatte Larson damals volle Freiheit im Design, wie er sich erinnert. Nur ein gutes Jahr später wurde im Januar 1993 das Showcar vom Boxster in Detroit präsentiert. «Wir wollten keine Zeit verschenken. Ausserdem lag unser Fokus mit dem Roadster auf dem US-Markt, wo Porsche zu dieser Zeit schwach war und Mazda mit dem Miata sowie BMW mit dem Z1 bereits im Roadster-Segment präsent waren», erinnert sich Larson.

Neben dem neuen Gleichteilprinzip waren es drei Dinge, die der Boxster erfüllen musste: Er sollte einen Mittelmotor haben, um an die Tradition von 550 Spyder und 718 RS 60 anzuknüpfen; er sollte eine junge Kundschaft an die Marke heranführen; und er sollte erschwinglich sein. Und das war er.

Während der 911 damals weit im sechsstelligen Bereich verschwunden war, konnte man für 76.500 DM in den Boxster einsteigen. Dass dieser Preis nur auf dem Papier stand und sich durch ein paar Extras leicht bis 100.000 treiben liess, war kein Thema. Schon vor Produktionsbeginn waren 10.000 Exemplare bestellt und angezahlt. Und ab 2000 gab es die ersten gebrauchten Modelle für weniger als 50.000 DM.

Die Nachfrage war so gross, dass sogar Valmet in Finnland einen Teil der Produktion übernehmen musste. Insgesamt 164.874 Stück wurde von der ersten Boxster-Generation in acht Jahren gebaut. Keine Nachfolge-Serie hat das wieder erreicht, denn die Nachfolger-Generationen verloren einen Teil der Boxster-Kunden an den Cayman. Was an der Popularität des Roadsters aber bis heute nicht geändert hat – bis heute wurden rund 360.000 Boxster aller vier Serien verkauft.

Das Erfolgsgeheimnis liegt in den Proportionen. «Sie machen das Auto so spannend», erklärt Harm Lagaay am Objekt und verweist gleich auf den Porsche 550 Spyder. «Das ist das Vorbild, da passt alles zusammen.» Zwar gab es schon 1984 einen Roadster-Prototyp, den 984. Doch der habe nicht inspiriert, stellt Lagaay im Nachhinein fest. Was nicht verwundert, denn hier stimmten die Proportionen eben noch nicht ganz. Es blieb beim Konzept.

 

Perfekt umgesetzt wurde erst die Detroit-Studie 1993. Damit setzte Grant die Entwicklung der alten Spyder-, Speedster- und Roadster-Sportwagen fort. Das Mittelmotorkonzept, der kurze Karosserieüberhang am Heck, die deutlich über die Vorderachse hinausreichende Frontpartie und das mittige Auspuffendrohr sind zentrale Elemente der Studie. Und die kam so gut an, dass die Fachwelt und das Publikum die Studie in der Serie sehen wollten.

Fast geglückt, so lautete später das Urteil. «Das Package funktionierte nicht», sagt Lagaay. Um alle Technik unterbringen und die Gleichteiltechnik mit dem 911 realisieren zu können, musste der Roadster etwas grösser werden. Aber es blieb bei den Proportionen, und das macht letztlich den Charme aus.

Genau daran knüpften auch die folgenden Boxster-Baureihen an: 2005 folgte der 987, 2012 der Typ 981 und 2016 der aktuelle 982, der sich mit der Zusatzbezeichnung 718 schmückt und damit ebenfalls Bezug zu einem grossen Vorbild nimmt. Von ihm gab es 2021 das auf 1.250 Exemplare limitierte Sondermodell «25 Jahre» auf Basis der GTS-Version. Sprich nicht mit einem Turbo-Vierzylinder wie im Basis- und S-Modell, sondern mit einem echten Sechszylinder-Sauger wie im ersten Boxster.

Schaut man sich die Motorwerte werden die 25 Jahre Entwicklung mehr als deutlich: Fast das Doppelte an PS, deutlich mehr Drehmoment, mit Doppelkupplung fast drei Sekunden schneller auf Tempo 100 – das ist ein Riesenunterschied. Dabei sind die Abmessungen fast gleichgeblieben, das Gewicht hat sich aber um ein paar Kilo erhöht. Nicht zuletzt durch die neuen Felgen, die im Sondermodell 20 statt der 16 Zoll im Urboxster erreicht haben.

An den Felgen zeigt sich zugleich die Sonderfarbe Neodyme: Das kupferartig schimmernde Braun setzte bereits bei der Detroit-Studie von 1993 einen Kontrast zur Grundfarbe GT-Silbermetallic. In der Sonderedition kommt es zusätzlich an der Frontschürze, den seitlichen Lufteinlässen und den Schriftzügen zum Einsatz. Wie damals gibt es den Editions-Porsche in GT-Silbermetallic, alternativ in Tiefschwarzmetallic und Carraraweiss-Metallic. Und innen wieder rotes Leder – diesmal aber bordeauxrot genannt.

Die wahre Faszination ist aber nach wie vor das Fahrgefühl. Wie im ersten Boxster passt mir auch die neueste Version wie ein Massanzug – man schlüpft einfach hinein, stellt noch ein wenig Sitz und Spiegel nach und dreht dann den Zündschlüssel links vom Lenkrad. Und wieder klingt der Motor wieder etwas heiser und röchelnd. Wie ein Jagdhund, wenn er Witterung aufnimmt.

Das siebengängige Doppelkupplungsgetriebe macht seine Sache so gut, da kann man schalten wie man will, schneller wird es dadurch nicht. In der Stadt entspannt es zudem und erlaubt lässiges Cruisen mit einem Fuss. Auf der Autobahn fädelt man sich in den Verkehr problemlos ein, weil die Reserven an Kraft mehr als ausreichend sind. Die reichen auch für 293 km/h Höchstgeschwindigkeit, aber das ist heutzutage eher ein akademischer Wert.

Denn der Genuss kommt erst auf der Landstrasse. Wenn sich kleine Strasse schlängeln und wie einst zarte Lenkbewegungen ausreichen, um die Karosserie nach links und rechts zu schwenken. Im direkten Vergleich kann der Enkel alles noch etwas besser. Aber es fühlt sich genauso an, diese beschwingte Fahrt mit offenem Verdeck. Und wieder scheint die Sonne so wunderbar.

Das Sondermodell kratzt an der 100.000-Euro-Grenze und ist damit doppelt so teuer wie mein alter Boxster mit Extras anno 1998. Doch wer sich die Marktlage anschaut, stellt begeistert fest, dass frühe Boxster mit maximal 100.000 Kilometer ab 10.000 Euro angeboten werden. Gute und regelmässig gewartete Modelle liegen bei 15.000 Euro – günstiger wird es nicht mehr.

Nur auf das Öl sollte man achten. Der neue Sechszylinder mit Wasserkühlung hatte so seine Kinderkrankheiten. Eine davon hiess Ölverlust am Kurbelwellen-Simmerring. Mein Boxster mit Garantie wanderte mit dieser Leckage zweimal in die Werkstatt. Beim dritten Mal entschieden die Stuttgarter auf Motortausch. Das kostet mich zwar nur eine Kulanzgebühr und über «matching numbers» dachte ich damals auch nicht nach. Aber es betrübte mich tief, mein Traumauto auf dem OP-Tisch zu sehen. Ich verkaufte ihn trotzdem nicht leichten Herzens. Und warte seitdem auf einen neuen.

Porsche Boxster

Bezeichnung
Porsche Boxster
Porsche 718 Boxster
Bauzeit:
1996 – 2004 (986)
2021 (982)
Motor:
2480 ccm, B6, wassergekühlt, Mitte
3995 ccm, B6, wassergekühlt, Mitte
Leistung:
204 PS bei 6000/min
400 PS bei 7000/min
Drehmoment:
245 Nm bei 4500/min
420 Nm bei 5000-6500/min (430 mit PDK)
Kraftübertragung:
Fünfgang manuell, Tiptronic optional, Hinterrad
Sechsgang manuell, optional 7-Gang-Automatik (PDK), Hinterrad
Länge/Breite/Höhe:
4329 x 1801 x 1295 mm
4405 x 1801 x1276 mm
Gewicht (leer):
1250 kg
1420 kg
Verbrauch:
9,7 l/100 km
10,8 (9,6) l/100 km
Höchstgeschwindigkeit:
240 (235 Tiptronic)km/h
293 km/h
Beschleunigung:
6,9 (7,6 Tiptronic) 0-100 km/h
4,5 (4,0) 0-100 km/h
Produktion:
164.874
1.250 (limitiert)
Neupreis:
k.A.
118.800 SFR