Am D-Day fahren Tausende Fans mit Militär-Oldtimern in die Normandie: Panzer, Lastwagen und Jeeps feiern an den Landungsstränden. SPIRIT-Chefredaktor Ulli Safferling war zum 80. Jahrestag mit seinem Willys Jeep dabei. Und fuhr von Luzern auf Achse zum Kanal. Und retour.
Text | Fotos Ulrich Safferling
Niemand kann sagen, ob mein Jeep wirklich am D-Day dabei war. Er wurde zwar schon im Februar 1943 gebaut, aber wohin er geliefert wurde, ist nicht bekannt: Die Army schickte die Jeeps einfach ab Fabrik dahin, wo sie gebraucht wurden, Fahrzeug-Historie war unwichtig. Wahrscheinlich ging der Willys zu US-Truppen in Grossbritannien und kam früher oder später nach Frankreich. Nach Kriegsende landeten viele Willys in einem Depot, der Rücktransport nach Amerika lohnte sich nicht. Die Schweizer Armee kaufte von dort 1535 Stück und löste 1946 die ersten Jeeps ein – so wie meinen am 1. Oktober 1946. Volle 78Jahre später fahre ich meinen Jeep nochmal zurück. Eine Reise in die Vergangenheit.
Das Fahren mit einem Willys Jeep ist cool, mehr Cabrio geht kaum. Aber es ist auch hart. Sehr hart. Nach etwa 50 Kilometern oder der ersten Stunde Fahrzeit meldet sich erstmals das Füdli. Danach verlagert man alle halbe Stunde von links nach rechts und zurück, um den Druckschmerz auszugleichen. Und 50 Kilometer ab Luzern ist nicht viel, Frankreich ist da noch lange nicht erreicht. Das Schweizer Etappenziel heisst Bure und liegt im Juranahe der Grenze. Ein alter Betonplattenweg führt über die grüne Grenze, eine Zollschranke gibt es so wenig wie ein EU-Schild, nur an einer Kreuzung steht eine Tafel mit Tempolimiten. Selbst das Navigationsgerät sucht hier nach dem Weg, als wären die Satelliten ausgefallen. Wer sich hier verirrt und beim nächsten Bauernklingeln möchte, sei gewarnt – auf vielen Höfen liegt ein Wachhund auf dem Vorplatz. Und wir reden hier nicht von Chihuahuas.
Wie verrückt muss man sein, im Willys quer durch Europa und mehr als 900 Kilometer weit zu fahren, um an einem Strand einer Militäroperation vor 80 Jahren zu gedenken? Verrückt genug, aber damit ist man nicht allein: An den Stränden in der Normandie trifft sich um den 6. Juni eine riesige Fangemeinde mit Militärfahrzeugen. Alle 100 Meter kommt einem ein Jeep entgegen, nachgezählten 100 gibt man auf. Dazu Schwimmwagen, Halbkettenfahrzeuge, Motorräder und Radpanzer. Nur Sherman-Panzer dürfen nicht frei fahren, ihre Ketten würden dem Asphalt den Garaus machen. Jedes Jahr feiert die Normandie D-Day, alle fünf Jahre noch etwas grossartiger, wenn die Staatsoberhäupter aus Frankreich, den USA, Grossbritannien und Kanada anreisen, um der Operation Overlord zu gedenken – der Befreiung Europas von den Nazis.
HANDSCHUHE IM JEEP
Die Herausforderung, mit einem Jeep Langstrecke zu fahren – und alle Jeeps aus der Schweiz vor Ort waren per Trailer angereist –liegt in der Natur der Sache, sprich: des Fahrzeugs. Denn dieses war erstens nicht für Langstrecken gebaut, zweitens ein Wegwerfartikel. Komfort war damals genauso wenig gefordert wie Dauerhaltbarkeit. Wobei so ein Jeep schon ein zäher Knochen ist. Das Blech ist dick, der 2,2-Liter-Benziner bullig, und viel kaputtgehen kann nicht, weil nicht viel dran ist. Ein harter Sitz, wir erwähnten es, ein dürftiges Verdeck und ein schmales Lenkrad reichten damals. Und müssen mir heute reichen. Es ist hart, es ist kalt, es ist holperig. Und wenn es regnet, hart, kalt, holperig und nass.
Nun will ich nicht klagen, das Los war selbst gewählt. Aber es macht doch einen Unterschied, ob man zum Klassiker-Treffen nach Zürich fährt oder in die Normandie. Handschuhe brauchte ich im Juni noch nie, doch alles unter 20 Grad fühlt sich auf der offenen Fahrt kalt an. Bei Höchsttempo 70 peitscht der Regen zwar nicht durchs Auto, aber es tröpfelt unter der klappbaren Windschutzscheibe hindurch. Erst auf die Hose, dann auf die Schuhe. Abhilfe schafft tänzelnde Beinarbeit, mit der man den Tropfen ausweicht. Immerhin zeigte sich Petrus gnädig, nach Grenzübertritt wurde das Wetter freundlicher, und an der Küste gab es zur Freude aller Jeep-Fans Sonnenschein pur. Eine ganze Woche lang.
Woran erkennt man erfahrene Willys-Piloten? Sie rutschen lässigauf den Sitz und klemmen sich in einer fliessenden Bewegunghinter das Lenkrad. Sieht gut aus, muss aber geübt werden: Füdliseitlich auf dem Sitz platzieren, die Beine hineinschwingen unddann hinters Lenkrad rutschen. Sitzverstellung gibt es nicht, esmuss so passen. Tut es auch, solange der Fahrtwind das Stoff-verdeck nicht in Schwingung versetzt und einem unablässig aufden Kopf haut. Dann rutscht man etwas tiefer in eine Halb-Liege-Haltung, die orthopädisch fragwürdig ist. Hält man ohnehin nichtlange durch, Positionswechsel sind nötig, weil – eben, der Sitz, dawar ja was.
Hat man erst mal hinter Bure die französische Nationalstrasse N19 gefunden, spult man Kilometer ab. Geduldig mahlend versieht der Motor bei gut geschmierten 70 km/h seinen Dienst. Maximal 100 wären drin, aber das mutet kein Jeepisti seinem Willys zu. Zumalselbst bei Tempo 70 die Maschine mit 14 Litern auf 100 Kilometer gefüttert werden will. Das könnte bei einem 56-Liter-Tank für400 Kilometer reichen. Ohne funktionierende Tankanzeige – aberselbst damit – eine mutige Schätzung, sodass alle 250 Kilometer ein sicherer Tankstopp ansteht. Und fünf Stunden hinterm Steuersind mehr als genug. Dann ist es an der Zeit, das Sitzkissen zulüften, um an den Tankverschluss zu kommen. Bei Nachfolge-modellen hat man das etwas eleganter mit Aussentankdeckelgelöst, aber da hat der MB-Willys noch zünftig sein Werkzeughängen: Axt und Schaufel, die von purem Abenteuergeist künden.
SYMPATHIEBONUS FÜR DEN JEEP
Die Begeisterung und Freude von Automobilisten und Passanten beim Anblick eines Willys sind unglaublich und im Grunde eine Studie wert. Da wird gewunken, gehen Lichthupen an, wird um ein Foto gebeten und gefragt, ob der Jeep wirklich aus dem Krieg sei. Das Militärgerät hat trotz seiner kriegerischen Historie einen Sympathiebonus wie kein zweites Auto. Vielleicht liegt es an der lustigen Kühlermaske, den runden Scheinwerfern und den quasi freistehenden Rädern, die einen Jeep mehr nach Spielzeugauto aussehen lassen. Oder an «Sarge», dem Willys Jeep aus dem Animationsfilm «Cars», dem schrägen Typen? So oder so, schon auf der Anreise zeigen die Franzosen, dass sie Willys gut finden. Erst recht, wenn sie erfahren, dass man auf dem Weg zum D-Day ist.
Das ist nicht so gefährlich wie vor 80 Jahren, aber auch kein Spass.Da ein Willys mit fester Hand gelenkt werden will und das Lenkrad eher dünn geraten ist, krampfen sich die Finger zusammen. Sind sie kalkweiss, wechselt man die Griffposition und Dehnübungen sorgen für Bewegung im Blutkreislauf. Beide Hände am Steuer sind Pflicht und beim Willys lebensnotwendig, wenn scharf gebremst werden muss. Dann zieht die Trommelbremsen-Fuhre brutal nach links. Oder rechts. Das kann überraschend sein.
Nach zehn Stunden Fahrt ist Troyes als Zwischenziel erreicht. Die Altstadt ist hübsch und lebendig, aussen herum wirkt es ein wenig düster. Beim Taco-Laden an der Ecke sind Cherry-Coke und Himbeer-Eistee die Renner – Michelin-Sterne gibt es dafür nicht. Der Willys darf abkühlen, die halbe Strecke ist geschafft. Ob der Willys über Nacht neue Freunde findet? Abschliessen ist so eine Sache, wenn ein Auto keine Türen hat. Ein Stahlseil wird durchs Lenkrad gezogen und mit einem stabilen Schloss am Rahmen befestigt, um nächtliche Liebhaber abzuhalten.
JEEPS HABEN NARRENFREIHEIT
Der zweite Fahrtag vergeht gefühlt schneller, obwohl nochmals zehn Stunden und 450 Kilometer Strecke anstehen – aber am Abend ist man am Ziel, das motiviert. Manchmal zu sehr, wenn ein Kreisverkehr den nächsten jagt. Zwar erlaubt der kurze Radstand einen Goldenen Schnitt durch den Fahrkreis, aber die Fliehkraft lässt einen Willys wortwörtlich in der Kurve fliegen und Beifahrern droht der freie Fall aus dem Wagen. Nach einem Fotostopp beim Tiger Tank von Vimoutiers erreiche ich am Abend Ouistreham, für Insider «Sword Beach», den östlichsten Strandabschnitt.
Schon am ersten Kreisverkehr tummeln sich drei, vier Jeeps, ohne Verdeck, dafür beflaggt und mit je vier authentisch gekleideten GIs besetzt. Winken und Hupen ist die Standard-Prozedur, die mich jetzt an jedem Tag begleitet. Und taucht irgendwo ein Jeep auf, schliessen sich schnell weitere an. Die einheimischen Renaults und Peugeots tragen es mit Geduld, wenn eine Jeep-Kolonneso die Strasse beansprucht und am nächsten Wiesenrand, im Kreisverkehr oder in der Fussgängerzone parkiert – Jeeps haben quasi Narrenfreiheit und selbst die reichlich vertretene Motorrad-Gendarmerie drückt mehr als ein Auge zu, Ausnahmezustand wie vor 80 Jahren. Damals kamen alle aus den USA, heute tragen sie Kontrollschilder aus Frankreich, Polen, Tschechien, Deutschland, Belgien, Holland und aus der Schweiz: Gesichtet habe ich Jeep-Freunde aus Fribourg, Tessin, Bern, Zürich, Wallis und Luzern.
Vor mir liegen fünf D-Days: Montag bis Freitag. Höhepunkt ist natürlich Donnerstag, der 6. Juni. Nach zwei Fahrtagen gönne ich mir einen Fussmarsch durch Ouistreham. Obwohl das offizielle «D-Day-Festival Normandy» schon am Samstag begonnen hat, wirkt die Stadt nicht überfüllt. Nicht mal am deutschen Beobachtungs-Bunker, der zur Tarnung mitten in die Stadt gebaut wurde. Heute ist er ein Museum und noch so original eingerichtet wie 1944. Direkt davor treffe ich eine Jeep-Mannschaft aus Waadt im perfekt restaurierten Willys. Ein Schnappschuss und schon ruft der nächste Fotostopp, die berühmte Pegasus-Bridge, fünf Kilometer entfernt. Auf vieren davon läuft der Verkehr wie geschmiert, dann ist Stau in Bénouville. Jeeps und Militärfahrzeuge blockieren die Zufahrt, suchen Parkplätze und stehen überall vor und hinter der Brücke, die zwar erneuert wurde, aber deren Original nur 100 Meter weiter im Museum steht. Rund um den Kanal lagern so viele Fans und Jeeps, als wäre das alliierte Kommando gerade gelandet.
Hier ist es definitiv zu voll, ich drehe zwei Runden, winke zurück und fahre lieber nach Douvres la Délivrande zum Radar-Museum. Weil das Wetter so schön ist, klappe ich die Frontscheibe runter –das steigert die Coolness. Warum fahren die meisten mit Scheibe hoch? Ich merke es am Abend: Fahrtwind und Pollenflug haben meine Augen aufquellen lassen wie Hefeteig – ich kann kaum noch etwas sehen. Wie haben die GIs das nur ausgehalten? Eben mit Scheibe oder Staubschutzbrillen, die mir ein Jeep-Kollege zeigt. Oder wie ich, aber nur ein paar Kilometer und nicht eine Stunde lang.
JEEPAUSFAHRT NACH ST. MERE-EGLISE
Die Fahrt durch die normannische Landschaft ist trotzdem traumhaft, die Wiesen leuchten in vollem Grün, und das Getreide steht so hoch, dass man so gerade eben das Dach eines Jeeps sehen kann. In den Dörfern hängen Hunderte Fahnen und Fähnchen und an vielen Ecken sehen die Häuser noch so aus wie damals, als die ersten Jeeps kamen und zum Symbol für die Befreiung wurden. Ich schliesse mich einem Konvoi an, der offensichtlich dasselbe Ziel hat, jedenfalls biegt er an denselben Wegweisern ab. Das Radar-Museum liegt auf einer Anhöhe und ist leider eingezäunt. Schön wäre es gewesen, den Jeep direkt an den sogenannten Würzburg-Riesen zu stellen, ein gigantisches Radar-Gerät der Deutschen, das von den Franzosen bis in die 1950er-Jahre benutzt wurde.
Am nächsten Tag lautet der Auftrag: Strand, genauer: Camp Dog Green hinterm Omaha Beach. Eins von 20 Feldlagern, die originalgetreu von Freiwilligen aufgebaut wurden. Auf dem Weg dahin liegt Longues-sur-Mer, eine deutsche Batterie mit Krupp-Kanonen, die den Alliierten am dortigen Gold Beach schwer zu schaffen machte. Ein Geschütz wurde bei Bombardement zerstört, die anderen dienen heute den Touristen als Fotomotive. Eine junge holländische Kompanie vollzieht anhand von Karten nochmal nach, wie die Schlacht verlaufen ist. Und lässt danach vom Bunkerdach die Beine baumeln. Besonders umlagert sind die Hotspots, sprich: alles rund um Omaha Beach mit dem grossen Overlord Museum. Am Nachmittag ist da die Hölle los, und man sollte ausweichen, schliesslich ist im Airborne-Museum in St. Mère-Église oder im Kommando-Museum von Ouistreham auchviel zu sehen. Wer trotzdem im Stau steckt, hat entweder Zeit für ein Schwätzchen mit den Jeep-Nachbarn oder nimmt die nächste Tankstelle, die bereits von Kollegen besetzt ist. Dazwischen flitzen die Motorrad-Gendarmen hin und her und versuchen, das schlimmste Chaos zu organisieren oder aufzulösen. Ein wahres D-Day-Stadtfest wird zwei Wochen lang in St. Mère-Église gefeiert, wo die US-Fallschirmspringer ihr Waterloo erlebten, weil sie über die Stadt abgetrieben und leichte Opfer wurden. Ein Springer blieb sogar am Kirchturm hängen – und hängt dort als Puppe heute noch, eine legendäre Geschichte, die im D-Day-Film «Der längste Tag» gezeigt wird.
IM JEEP ZU BLOODY OMAHA
Fast jedes Dorf hat noch einen alten Panzer, ein Geschütz, eine Stellung konserviert. Dazu Dutzende Mahnmale, Gedenksteine, Museen und Kriegsgräberanlagen. Erinnerung pur auf jedem Kilometer. Trotzdem fehlt die Vorstellung, wie dieser Tag wirklich verlief, mit seinem Grauen. Wer das ansatzweise erleben will, geht nach Merville-Franceville-Plage. Dort wird an vier Abenden in der Dämmerung die Erstürmung der deutschen Batterie nachgespielt. Mit Lichteffekten werden die Bunker in ein gespenstisches Licht getaucht und wenn der Feuerwerker die Bombardierung inszeniert, reicht der Luftdruck bis zu den Tribünenplätzen. Schauerlich, nicht schön, aber eindrücklich.
Dog Green ist ein Camp, in dem Geschichte lebendig wird, ein Zelt-lager, original wie 1944. Vom Essgeschirr bis zum Panzer findet sich alles, was das Leben ausmachte. Nicht nur das kriegerische, sondern das alltägliche. Da stehen erbeutete deutsche Weinflaschen, ein Klappen-Telefon und eine Erste-Hilfe-Station, selbstverständlich mit Sanitäts-Willys. Es macht anschaulich, wie die Soldaten lebten, wenn sie nicht kämpften. Und wie viele Soldaten es brauchte, diesen Alltag zu organisieren. Das Verständnis dafür ist gewachsen, nachdem es jahrelang nur um «Bloody Omaha» ging. Es ist der berühmtberüchtigste Strandabschnitt, an dem die US-Armee ihre grössten Verluste erleiden musste. An diesem Strand findet daher die grosse Feier, die grosse Zeremonie der Staatsoberhäupter am 6. Juni statt. Da steht man schon mal um sechs Uhr früh auf, um dabei zu sein. Geschickt mogle ich mich im Willys an den Gendarmerie-Posten vorbei bis zum Omaha Beach vor, zum Unterabschnitt «Fox Green». Dort lag das deutsche Wider-standsnest 62, dort wurde am heftigsten gekämpft. Die Zeremonie findet 1000 Meter weiter statt, auf der Düne darüber liegt der US-Soldatenfriedhof, im Hinterland das Overlord-Museum. Genug zusehen für einen Tag. Denkste.
JEEP-TAXI UND EINE PARADE
Dass mein Wunschplatz heikel sein könnte, merke ich, als die Marine One von US-Präsident Joe Biden, begleitet von vier Hubschraubern, über mir kreist und alle Handys schlagartig vom Netz genommen werden. Er landet auf dem Friedhof zur Feier. Zutritt nur für geladene Gäste. Na gut, fahren wir ins Museum. Der Gendarm schüttelt den Kopf. Nur mit Spezialeinladung. Zurück ans Meer, dann gehe ich eben zur Staatsfeier. Nach 50Metern tauchen zwei schwarz-uniformierte SWAT-Polizisten aus den Dünen auf: «No way.» Ich sitze fest. Ich sitze am berühmtesten Strandabschnitt der Normandie exakt am 6. Juni und komme nicht weg. Merde!
Nachdem die Sonne mein Hirn gegart hat, bleibt nur ein Weg– am Strand in die entgegengesetzte Richtung zu «Fox Red». Oben auf der Steilküste entdecke ich das Widerstandsnest 60 –von hier gibt es den berühmten Blick auf den ganzen Omaha-Strand. Was für ein Anblick! An der Steinküste von «Fox Red», fünf Kilometer entfernt, ist dafür gar nichts los und nur das US-Camp in Aure-sur-Mer im Hinterland rettet diesen verflixten Tag mit Burger und Bier. Erst um 19.30 Uhr öffnet die Gendarmerie ihre Absperrung und lässt mich passieren. Genauso wie Daniel aus Düsseldorf, der mit einem Velo angereist ist – 700 Kilometer Pedalerei. «Darf ich mich am Jeep festhalten, und du ziehst mich die Düne rauf?» Klar darf er, nur ein Gendarm sieht das nicht gern. Wir verabreden uns auf ein Feierabendbier und tauschen unsere Stranderlebnisse aus.
An meinem fünften D-Day erobere ich doch noch die Pegasus-Brücke und schaue mir das morgendliche Jeep-Gewusel drumherum bei Milchkaffee und Gipfeli an. So viele Museen, Ausstellungen und Aussichtspunkte stünden noch zur Wahl, für eine Woche definitiv zu viel. Da heisst es wiederkommen, vielleicht in einem Jahr ohne Macron und Biden, wenn die Strassen freier und die Stimmung nicht schlechter sein wird. Aber ein Highlight steht noch im Programm. Die Jeep-Parade in Luc-sur-Mer. Direkt an der Ufer-Promenade versammeln sich rund 100 Jeeps aller Couleur, aller Zustände, aller Länder. Wo hast du das her, wieso sieht das so aus, wie lange fährst du schon … es ist der intensivste Jeep-Stammtisch der Welt. Man lernt immer noch etwas dazu und trifft unglaubliche Menschen, ob aus Meggen, der Nachbarschaft von Luzern, oder von den Golanhöhen bei Israel.
Alle feiern gemeinsam diesen Tag. Entsprechend gross ist der Jubel, als sich die Parade in Bewegung setzt und einmal vom Strand rund durchs Dorf rollt. Eine einmalige Stimmung, die mich auf der zweitägigen Rückfahrt begleitet. Man muss keine Jeeps mögen und auch kein Freund von Militärkapellen sein. Man kann die Zeremonien an den Stränden kritisch und das Festival als Spektakel betrachten. Aber der 6. Juni 1944 hat seinen Platz in der europäischen Geschichte. Und die Normandie hält ihn in Erinnerung.