Rückkehr nach Schinznach

Die AMAG begann 1949 mit der Montage Suisse, unter anderem für Dodge-Modelle. Jetzt kehrte ein Lancer exklusiv für SPIRIT noch einmal in die Montagehalle zurück, die er dort vor 62 […]

Die AMAG begann 1949 mit der Montage Suisse, unter anderem für Dodge-Modelle. Jetzt kehrte ein Lancer exklusiv für SPIRIT noch einmal in die Montagehalle zurück, die er dort vor 62 Jahren verlassen hatte.

Text Ulrich Safferling| Fotos Christian Egelmair

Wo stellen wir ihn am besten hin? Fotograf, Autor und Dodge-Besitzer überlegen nicht lange, als sie in der heutigen Werkstatt-Halle der AMAG in Schinznach-Bad stehen. Dort, in der Spenglerei, sieht der abgeschabte Hallenboden noch nach dem Ursprung aus: Nach der Montage Suisse, die dort ab 1949 Chrysler-Marken wie DeSoto und Plymouth sowie Standard und Studebaker zusammenschraubte. Sowie den Dodge Lancer, wenn auch nur für die zwei Jahre 1961 und 1962. Genau davon haben wir zwei Modelle da, einen in Weiss von der AMAG und einen in Schwarz von Auto-Aficionado Patrick Ulmer, der das seltene Modell erst vor einigen Wochen im Internet entdeckt hat. Und sich sofort in das Schinznacher Modell verliebt hat.

Lancer GarageDodge spielte in den 1950er-Jahren noch keine grosse Rolle bei der Montage Suisse. Die Blütezeit begann erst in den 1960er- Jahren, in denen die AMAG laut Produktionstabelle knapp 4700 Dodge Dart und die Coupé-Variante Demon baute. Aber keine Lancer ausweist, dabei muss es sich bei der 1961/62er-Produktion um Lancer gehandelt haben. Das war der Vorgänger des Dart, der sich mit dem Valiant Chassis, Motor und viele Komponenten teilte. Das Mittelklassemodell Valiant, ab 1961 in Amerika als Plymouth Valiant vermarktet, war mit fast 14’000 Stück ein Bestseller der AMAG. Ein Fahrzeug mit moderner, selbsttragender Karosserie und einem Sechszylinder-Reihenmotor, der wegen seiner schrägen Einbaulage «Slant Six» genannt wurde. Das Schwestermodell mit optischen Retuschen war der Dodge Lancer.

Lancer GarageBeide Modelle waren Entwürfe des Designers Virgil Exner, der die Heckflossen der 1950er-Jahre zwar nicht erfunden hatte – das war Harley Earl von GM –, der sie aber stilistisch auf die Spitze trieb, bis sie Anfang der 1960er-Jahre abrupt unmodern wurden. Insofern ist der Lancer fast so etwas wie ein letzter Gruss dieser aufsehenerregenden Epoche. Zurück zum Lancer, von dem vermutlich nur 1152 Stück entstanden, wenn man die AMAG-Tabelle für die zwei einzigen Produktionsjahre so interpretieren will. Es gab drei Varianten als Limousine, Coupé und Kombi: das Basismodell 170, die Luxusausstattung 770 sowie nur 1962 einen zweitürigen GT. Weil sich der Lancer nicht wie von Chrysler erhofft in Amerika verkaufen liess, folgte 1963 der Dodge Dart – auch in Schinznach –, der dem gleichzeitig erneuerten Valiant folgte und nichts mit dem Vorgänger gleichen Namens zu tun hatte. Wie seinerzeit üblich, gab es von Jahr zu Jahr teilweise gravierende Facelifts, sodass die 1961/62er-Designs fast eine eigene Klasse bilden. Und gleichzeitig die letzten sind, bei denen die Heckflossen noch derart prägnant ausfallen.

Lancer Ansicht hinten«Das Heck ist die Schokoladenseite», stellt Patrick fest: «Es sind zwar Flossen, aber es sieht nicht zu flossig aus.» Und das war mit ein Kaufgrund, denn eigentlich brauchte er keinen weiteren Oldtimer. Eigentlich. Aber als Jäger und Sammler hört man nie wirklich auf. «Ich habe im Internet eine Suchmaske angelegt, bis Baujahr 1972 und dann zum kleinen Preis und lasse mich immer wieder überraschen, was da so angeboten wird.» Und so tauchte vor drei Monaten ein Dodge Lancer bei einem Bentley-Händler auf. «Originallack, Schweizer Produktion, zweiter Hand und 112’000 Kilometer – den musste ich mir ansehen», erzählt Patrick. Und wie es so ist, wusste schon Goethe: «Halb zog sie ihn, halb sank er hin, schon war’s um ihn geschehen.» Und so wurde der illustre Fuhr- park des Auto-Liebhabers mit Studebaker Champion und Opel GT Roadster um ein Modell der Montage Suisse erweitert. Natürlich mit Zustimmung seiner Frau, die ebenfalls das Auto-Virus pflegt.

75 Jahre ASAG

Nachdem Walter Haefner am 3. Januar 1945 die Neue AMAG am Utoquai in Zürich gegründet hatte, folgte 1947 der Ausbau der Montage- und Verwaltungsgebäude in Schinznach-Bad. Dort entstand 1949 eine AMAG-Tochterfirma, die Automontage Schinznach AG, kurz ASAG. Dort liefen die ersten 66 Plymouth Special Deluxe vom Band – als Montage Suisse.

Automontage SchinznachGrund für die Produktion: Um die heimische Autoproduktion zu unterstützen, gab es hohe Zölle auf Importwagen, aber nicht auf Teile, aus denen Fahrzeuge in der Schweiz montiert wurden. Dabei mussten bis zu 25 Prozent Zulieferteile aus heimischer Produktion verbaut werden.

Am 13. September 2024 wird im Verkehrshaus der Schweiz eine Sonderausstellung zur Montage Suisse eröffnet. Am 13. und 14. September gibt es beim Concours d’Excellence eine Sonderwertung für Schinznacher Klassiker

Laut Wagenpass war der Erstbesitzer ein Zürcher Bäckereimeister, der den Lancer über vier Jahrzehnte fuhr und pflegte. Garantieheft, Pflegeanleitung, Inspektions-Gutscheine – das alles hat Patrick zur Fahrzeug-Historie noch in einer Türtasche entdeckt. Der Zweitbesitzer investierte dann etwas in das Auto, so kam der Edelstahlauspuff unters Auto und die Nebellichter wurden auf Tagfahrlicht umgestellt. Vermutlich wurde dann zugleich der serienmässige, schweisstreibende Kunststoffbezug der Sitzbank durch einen Stoff ersetzt, auf dem es sich zum Sommer hin im wahrsten Sinne cooler sitzen lässt. Ungewöhnlich sind nur die Pneus, die fast nach Rallye-Einsatz aussehen, was man dem Fahrzeug, aber weder zutraut noch zutrauen möchte.

Lancer PatrickPatrick selber musste ausser der Wasserpumpe und den Servo pumpenschläuchen nichts am Auto machen. «Fahren und glücklich sein», sagt er lächelnd, nur Stäubchen auf dem Lack ärgern ihn. «Schwarz sieht ja elegant aus, aber es ist so empfindlich.» Doch gefahren wird trotzdem: Ein Auto muss regelmässig bewegt werden, lautet seine Devise. «Für mich ist das weder ein Sammler- noch ein Investitions- oder Concoursobjekt, sondern Fahrspass aus den 1960er-Jahren.» Und der fühlt sich trotz der 3-Gang-Automatik mit den vertikalen Druckschaltern dank des Sechszylinders gut an. «145 PS sind zwar nicht viel, aber das Auto ist ja recht leicht, man kann zügig mit ihm unterwegs sein, wenn man muss.» Muss Patrick aber nur selten, selbst wenn die «Route 66» in Aarburg lockt. Die passende Kulisse für einen Ami aus der Schweiz.